Die Bedeutung von Diversitätund GesundheitsförderungBKK Gesundheitsreport 2025Bertolt Meyer

Der Autor

Bertolt Meyer

Prof. Dr. Bertolt Meyer

Bertolt Meyer ist Professor für Arbeits , Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der TU Chemnitz. Gemeinsam mit seinem Team forscht er zu Diversität und Stereotypen am Arbeitsplatz, betrieblichem Gesundheitsmanagement und den gesellschaftlichen Auswirkungen der Verschmelzung von Mensch und Technik. Von 2022 bis 2024 war er Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs „Hybrid Societies“. Er moderiert die Wissenschaftsreihe „Agree to Disagree“ bei Arte und den Wissenschaftspodcast „People of Science“ bei DLF Kultur. Der Deutsche Hochschulverband kürte ihn zum „Hochschullehrer des Jahres 2024“.

Einleitung

Arbeit prägt unser Leben wie kaum ein anderer Bereich. Erwachsene verbringen einen großen Teil ihrer Lebenszeit im Arbeitskontext [1]. Arbeit erfüllt nicht nur materielle Bedürfnisse, sondern auch zentrale psychische Grundbedürfnisse nach Leistung, Anerkennung und sozialer Zugehörigkeit [2]. Damit ist die Arbeitswelt ein Schlüsselort für Prävention und Gesundheitsförderung [3]: Sie kann Gesundheit und Wohlbefinden stärken oder Belastungen erzeugen, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Arbeitswelt in Deutschland wie auch international stark verändert. Globalisierung, Migration, der demografische Wandel, die höhere Erwerbstätigkeit von Frauen und nicht zuletzt die Digitalisierung haben die Zusammensetzung von Belegschaften vielfältiger gemacht [4].

In nahezu allen Branchen arbeiten heute Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, mit unterschiedlicher Herkunft, Bildungsbiografie, religiösen oder kulturellen Hintergründen sowie unterschiedlichen gesundheitlichen Voraussetzungen zusammen. Diese Vielfalt kann eine große Ressource für Organisationen sein – sie eröffnet neue Perspektiven, fördert Kreativität und erleichtert den Zugang zu vielfältigen Kund:innen und Märkten.

Gleichzeitig ist Vielfalt im Betrieb kein Selbstläufer. Forschung zu Teams zeigt, dass Diversität positive Effekte auf Kreativität und Problemlösefähigkeit haben kann, aber auch Konflikte und Spannungen auslösen kann, wenn Unterschiede zwischen Gruppenmitgliedern betont werden [5]. Bisher lag der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Diskussion oft auf der Frage, wie sich Vielfalt auf Leistung und Produktivität auswirkt [6]. Erst in jüngerer Zeit wird deutlicher untersucht, welche Folgen sie für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Beschäftigten hat. Erste Ergebnisse zeigen: Diversität kann Beschäftigte stärken, etwa wenn verschiedene Perspektiven zu gegenseitiger Unterstützung führen – sie kann aber auch zur Belastung werden, wenn sich Subgruppen im Team bilden und daraus Konflikte oder soziale Spannungen entstehen [7].

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage an Bedeutung, wie Prävention und Gesundheitsförderung gestaltet sein müssen, um der wachsenden Vielfalt gerecht zu werden. Programme „von der Stange“ stoßen schnell an Grenzen, wenn sie die unterschiedlichen Bedarfe von jungen und älteren Beschäftigten, Frauen und Männern, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund oder Beschäftigten mit besonderen gesundheitlichen Voraussetzungen nicht berücksichtigen. Forschung aus der COVID-19-Pandemie zeigt beispielsweise, dass Frauen mit Kindern, die gleichzeitig im Homeoffice arbeiten mussten, besonders stark von Erschöpfung betroffen waren – während andere Beschäftigtengruppen ganz andere Belastungen erlebten [8].

Schließlich lässt sich die Bedeutung von Vielfalt in der Gesundheitsförderung nicht losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen betrachten. Auf der einen Seite ist Diversität sichtbarer und selbstverständlicher geworden: Arbeitskräfte sind heute heterogener, und moderne Organisationen setzen zunehmend auf Inklusion und Gleichstellung. Auf der anderen Seite sehen wir in vielen europäischen Ländern und auch in Deutschland rechtspopulistische Strömungen, die diese Vielfalt infrage stellen oder gar aktiv angreifen [9]. In einer solchen gesellschaftlichen Gemengelage kommt diversitätsorientierter Gesundheitsförderung eine doppelte Bedeutung zu: Sie trägt nicht nur zur individuellen Gesundheit und Arbeitsfähigkeit bei, sondern stärkt auch das Miteinander im Betrieb und wirkt so Polarisierungstendenzen entgegen.

Dieses Kapitel geht drei zentralen Fragen nach: Es untersucht, wie die Berücksichtigung der Vielfalt der Beschäftigten die Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsförderung steigern kann, welche spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen dabei für verschiedene demografische Gruppen bestehen und welche Best Practices sich für die Entwicklung und Umsetzung diversitätsorientierter Gesundheitsprogramme ableiten lassen. Das übergeordnete Ziel ist es, deutlich zu machen, dass Diversität kein „Sonderthema“ darstellt, sondern eine Grundbedingung wirksamer Prävention und Gesundheitsförderung im 21. Jahrhundert ist.

Warum Diversität entscheidend ist für Prävention und Gesundheitsförderung

Definition von Diversität im Arbeitskontext

Im Kern beschreibt Diversität Unterschiede zwischen Menschen, die gemeinsam in Organisationen arbeiten – und umfasst beides: sichtbare Merkmale wie Alter, Geschlecht, Nationalität oder körperliche/geistige Fähigkeiten sowie weniger offensichtliche Aspekte wie Bildungsbiografien, Wertehaltungen, Lebenslagen oder psychische Gesundheit.

Definition von Diversität

Diversität bezeichnet jede Form von zwischenmenschlichen Unterschieden, die dazu führen können, dass Menschen sich zueinander als unterschiedlich wahrnehmen [10].

Wichtig ist damit nicht allein das Vorhandensein objektiver Unterschiede, sondern deren individuelle Wahrnehmung und Bedeutung [11].

Die frühe Diversitätsforschung betrachtete typischerweise unterschiedliche Arten von Vielfalt als unterschiedlich wirkungsvoll– etwa demografische Merkmale wie Alter oder Geschlecht gegenüber kognitiven oder erfahrungsbezogenen Unterschieden. Diese Annahme, dass bestimmte Diversitätsformen spezifische Effekte entfalteten, konnte jedoch in mehreren Meta-Analysen nicht bestätigt werden [4].

Stattdessen zeigte sich: Die Wirkung von Vielfalt hängt weniger von der Art der Vielfalt ab, als vielmehr von Kontextfaktoren wie Teamprozessen, Organisationskultur oder Führungsstil. Aus diesem Grund empfiehlt es sich heute, zumindest zwischen demografischer Vielfalt (Alter, Geschlecht, Herkunft etc.) und anderen, eher psychologischen oder erfahrungsbasierte Formen zu unterscheiden – ohne jedoch diese Trennung dogmatisch zu sehen.

Eine aktuell gebräuchliche Orientierung bieten die Kerndimensionen der Charta der Vielfalt, die in der deutschen Diversity-Debatte weit verbreitet sind. Sie identifiziert sieben zentrale Aspekte, die Vielfalt in der Arbeitswelt strukturieren: Alter, Nationalität und Migrationsgeschichte, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft1. Diese Dimensionen sind stark verankert im deutschen Kontext des Diversity Managements und bieten zudem eine nützliche Grundlage für Praxisanwendungen – etwa in Unternehmen oder Institutionen, die sich an der Charta orientieren. Sie verdeutlichen, was in der Forschung häufig als die „demografische Vielfalt“ verstanden wird, und bilden in vielen betrieblichen Programmen eine operative Orientierung.

Allerdings bleibt wichtig: In der Forschung hat sich die Definition von van Knippenberg et al. [10] durchgesetzt, weil sie die Vielfalt nicht auf starre Kategorien reduziert, sondern die Wahrnehmung von Unterschieden. Diese subjektive Dimension ist entscheidend dafür, ob Unterschiede sich psychologisch, sozial oder gesundheitlich auswirken. Die Kerndimensionen der Charta der Vielfalt sind hilfreich, um Vielfalt sichtbar und gestaltbar zu machen – besonders in der beruflichen Praxis. Aber für die wissenschaftliche Analyse bleibt die subjektive Wahrnehmung von Vielfalt ein zentrales Element für das Verständnis, wie Diversität in Teams wirkt.

Unterschiedliche Forschungstraditionen

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Diversität am Arbeitsplatz hat sich historisch in zwei große Stränge entwickelt. Ein erster Strang war in den 1980er- und 1990er-Jahren stark leistungsorientiert. Im Vordergrund stand die Frage, wie Vielfalt die Effektivität und Produktivität von Teams beeinflusst. Die Ergebnisse fielen dabei ambivalent aus: Auf der einen Seite konnte gezeigt werden, dass Diversität Kreativität, Problemlösefähigkeit und die Qualität von Entscheidungen fördert, da mehr Perspektiven und Wissensbestände in Diskussionen eingebracht werden. Auf der anderen Seite wurde ebenso deutlich, dass Vielfalt mit Risiken verbunden ist. So können Missverständnisse, Koordinationsprobleme und Konflikte entstehen, wenn Unterschiede zwischen den Teammitgliedern stark in den Vordergrund treten.

Neuere Ansätze versuchen, diese widersprüchlichen Befunde besser zu erklären. So wird heute angenommen, dass in diversen Teams Stereotype in bestimmten Situationen aktiviert werden [5]. Unterschiedliche Kontexte – etwa die Art der Aufgabe, soziale Interaktionen oder auch die Art und Weise, wie Führung gestaltet wird – können dazu führen, dass Unterschiede zwischen Teammitgliedern besonders deutlich werden. Diese Hervorhebung von Unterschieden wiederum aktiviert stereotype Erwartungen [12]. Stereotype können auch dazu führen, dass bestimmte Potenziale im Team sichtbarer werden und gezielt genutzt werden, was die Leistungsfähigkeit steigert. Umgekehrt können sie Spannungen und Vorurteile verstärken und damit Prozesse wie Vertrauen, Zusammenarbeit und Kommunikation beeinträchtigen.

Der zweite große Strang der Forschung richtet den Blick nicht primär auf Leistung, sondern auf die gesundheitlichen Folgen von Diversität. Lange Zeit war dieser Aspekt in den Hintergrund getreten, da Organisationen vor allem den ökonomischen Nutzen von Vielfalt im Auge hatten. Erst in den letzten 15 Jahren ist ein deutlicher Perspektivwechsel zu beobachten: Zunehmend wird untersucht, wie sich Diversität auf das psychische Wohlbefinden, auf Stressbelastungen oder auf das Risiko von Erschöpfung auswirkt [7], [13], [14], [15]. Auch hier zeigt sich ein ambivalentes Bild. Vielfalt kann eine Ressource sein, wenn unterschiedliche Perspektiven im Team zu sozialer Unterstützung und höherer Resilienz führen. Sie kann aber auch zur Belastung werden, wenn Unterschiede zur Bildung von Subgruppen beitragen, die Spannungen verstärken und das Risiko emotionaler Erschöpfung erhöhen [16]. Studien belegen außerdem, dass Alters- oder Geschlechterzusammensetzungen je nach Kontext sehr unterschiedliche gesundheitliche Folgen haben können – in manchen Fällen tragen sie zum Wohlbefinden bei, in anderen erhöhen sie das Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Diversität und Gesundheit

In der in der leistungsorientierten Forschung zu Vielfalt dominieren zwei grundlegende Sichtweisen darauf, wie Diversität wirkt. Die erste Perspektive, geht von Prozessen der sozialen Kategorisierung aus. Menschen neigen dazu, sich selbst und andere in Kategorien wie „wir“ und „sie“ einzuteilen. Diese Unterscheidungen können zu Spannungen, Misstrauen oder sogar Ausgrenzung führen [17]. Für die Gesundheit bedeutet das: Wenn in Teams Abgrenzungen und Konflikte entstehen, steigt das Risiko für Stress und psychosoziale Belastungen, die langfristig in Erschöpfung oder andere gesundheitliche Einschränkungen münden können.

Dem gegenüber steht die Informations- und Ressourcenperspektive. Sie hebt hervor, dass unterschiedliche Hintergründe, Erfahrungen und Kompetenzen in Teams zusätzliche Ressourcen darstellen, die sowohl die Leistung als auch das Wohlbefinden der Beschäftigten stärken können [18]. Wo es gelingt, Vielfalt produktiv zu nutzen, profitieren Mitarbeitende von gegenseitigem Lernen, von neuen Perspektiven und von gegenseitiger Unterstützung. In dieser Logik wird Diversität als eine Art „zweischneidiges Schwert“ verstanden [19]: Sie kann Leistung und Gesundheit fördern, birgt aber auch das Risiko von Konflikten. Gerade im Rahmen des viel diskutierten „Business Case for Diversity“ wurde Diversität deshalb häufig danach beurteilt, welchen wirtschaftlichen Nutzen sie stiftet und unter welchen Bedingungen positive Effekte überwiegen.

Diese utilitaristische Sichtweise greift jedoch zu kurz, wenn es um die Bedeutung von Diversität in der Prävention und Gesundheitsförderung geht. Diversität darf nicht allein deshalb anerkannt werden, weil sie unter bestimmten Bedingungen ökonomische Vorteile oder Produktivitätssteigerungen mit sich bringt. Sie hat auch einen eigenständigen normativen Wert. Die Berücksichtigung von Vielfalt am Arbeitsplatz ist Ausdruck formeller Gleichstellung, verweist auf die Würde des Menschen und trägt dazu bei, gesellschaftliche Realitäten im betrieblichen Alltag abzubilden. In diesem Verständnis ist die Anerkennung und Integration von Unterschieden kein „Zusatznutzen“, sondern ein Wert an sich, der unabhängig von wirtschaftlicher Verwertbarkeit begründet werden kann [9].

Welche Dynamik – die konfliktbelastete oder die ressourcen- orientierte – letztlich überwiegt, hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit ab. Unter- nehmenskultur, Führung, Kommunikation und Arbeitsgestal- tung spielen eine zentrale Rolle darin, ob Diversität als Be- lastung erlebt wird oder ob sie dazu beiträgt, sowohl Leis- tung als auch Gesundheit der Beschäftigten zu fördern.

Diversität im Betrieb spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider. Auf der einen Seite nimmt die Sichtbarkeit von Vielfalt zu: Migration, Gleichstellungspolitik, Inklusion und eine pluralere Gesellschaft haben dazu geführt, dass Verschiedenheit heute selbstverständlicher ist als vor 30 Jahren. Für Prävention und Gesundheitsförderung bedeutet das: Sie müssen sich an sehr unterschiedliche Lebenslagen anpassen, um wirksam zu sein.

Auf der anderen Seite wird diese Entwicklung von rechtspopulistischen Strömungen herausgefordert, die Homogenität fordern und Vielfalt als Bedrohung darstellen. Diese gesellschaftlichen Diskurse wirken auch in die Betriebe hinein. Wo Ausgrenzung oder Feindbilder zunehmen, wächst das Risiko für Diskriminierungserfahrungen – mit negativen Folgen für Gesundheit, Teilhabe und Arbeitszufriedenheit.

Zwischenfazit

Diversität ist also ein zweischneidiges Schwert: Sie kann Gesundheitsressourcen bereitstellen oder Belastungen erzeugen. Ob sie eher zur Ressource oder zum Risiko wird, hängt davon ab, wie sie sowohl im Betrieb als auch im gesellschaftlichen Umfeld gestaltet und wahrgenommen wird. Für Prävention und Gesundheitsförderung folgt daraus, dass nur diversitätsorientierte Ansätze, die Unterschiede anerkennen und produktiv integrieren, nachhaltig wirksam sind.

Unterschiedliche Bedarfe und Herausforderungen spezifischer Gruppen

Vielfalt in der Arbeitswelt bedeutet, dass Beschäftigte unterschiedliche Voraussetzungen, Ressourcen und Belastungen einbringen, die sich auf körperliche, psychische und soziale Ebenen erstrecken. Prävention und Gesundheitsförderung dürfen daher nicht nur allgemeine, sondern müssen gezielt auf diese Unterschiede eingehen, um Wirkung zu entfalten.

Die Tatsache, dass unterschiedliche physische Konstitutionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschiedliche Bedürfnisse und Voraussetzungen bei der Arbeit haben, wurde in klassischen ökonomischen und organisationstheoretischen Modellen weitgehend unbedeutend ausgeblendet. Arbeiter wurden als ein abstraktes, geschlechtsneutrales Subjekt „erfunden“, dessen körperliche Beschaffenheit keine Rolle spielte; weder als Quelle von Differenz noch als Einflussgröße organisationaler Prozesse [20]. Besonders außerhalb ergonomischer Forschung wurde der Körper kaum thematisiert, geschweige denn als variable Größe in der Arbeitsgestaltung oder -analyse berücksichtigt.

Organisationstheorie und Managementforschung haben lange Zeit an einer solchen „bodiless worker“-Idealisierung festhielten [20]. Körperspezifische Formen von Arbeit, etwa die Anpassung von Kleidung, Körperhaltungen oder Bewegungsprofilen, waren implizit getilgt und entwickelten sich erst in jüngster Zeit zu einem Forschungsthema. Erst dadurch ist sichtbar geworden, dass Organisationen durchaus gezielt Körper in ihrer Materialität, in ihrer Funktion oder ihrer kulturellen Bedeutung formen. Das eröffnet ein neues Verständnis dafür, wie Differenz auf körperlicher Ebene in Arbeitsprozessen wirksam wird.

Im Rahmen dieses Kapitels sind diese Einsichten entscheidend: Sie verdeutlichen, dass dem Körper – und seinem Unterschiedspotenzial – in der Forschung und in der betrieblichen Praxis vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wurde. Im Gegensatz dazu wird heute der Wert der Berücksichtigung diverser Körper anerkannt, etwa durch ergonomische Anpassungen, Schichtregeln oder gesundheitliche Schutzmaßnahmen, gerade auch in der Diskussion um Prävention und Inklusion.

Altersdiversität

Die deutsche Erwerbsbevölkerung altert. In vielen Betrieben arbeiten heute drei oder vier Generationen nebeneinander. Das bringt Chancen, aber auch spezifische Herausforderungen mit sich: Jüngere Beschäftigte verfügen oft über hohe Lernfähigkeit und Innovationskraft, stehen aber unter dem Druck, sich zu beweisen. Themen wie Work-Life-Balance oder mentale Gesundheit spielen für sie eine wichtige Rolle. Ältere Beschäftigte bringen reichhaltige Erfahrung ein, sind jedoch häufiger mit chronischen Erkrankungen oder Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit konfrontiert.

Studien zeigen, dass Altersdiversität je nach Arbeitsaufgabe unterschiedliche Auswirkungen hat [13], [21], [22]: Bei komplexen Tätigkeiten können gemischte Teams von unterschiedlichen Erfahrungen profitieren, während bei Routinetätigkeiten ein höheres Risiko für gesundheitliche Beschwerden besteht. Für die Gesundheitsförderung bedeutet das: Angebote müssen altersdifferenziert gestaltet werden – von ergonomischen Anpassungen bis hin zu Programmen für lebenslanges Lernen.

Geschlecht und Care-Arbeit

Frauen und Männer erleben Gesundheit und Belastung am Arbeitsplatz oft auf unterschiedlichste Weise. Eine zentrale Erklärung liegt in der weiterhin ungleichen Verteilung von Care-Arbeit, die insbesondere Frauen in der Doppelbelastung stärker erschöpfen lässt – besonders deutlich sichtbar während der COVID 19-Pandemie, als Frauen mit Kindern im Homeoffice deutlich häufiger Erschöpfung und Überlastung meldeten [8].

Eine gesellschaftspolitisch wie gesundheitlich ebenso einschneidende Dimension ist die historische Vernachlässigung von Frauen in der medizinischen Forschung. Über Jahrzehnte hinweg wurden Frauen systematisch in klinischen Studien ignoriert. Lange Zeit galten männliche Körper als Norm, auf die alle medizinischen Erkenntnisse universell angewendet wurden. Erst ab den frühen 1990er-Jahren begann eine schrittweise, aber noch immer unvollständige Kehrtwende. Frauen nahmen bis 1993 selten an klinischen Studien teil und es mangelt heute weiterhin an Wissen darüber, wie Medikamente oder medizinische Geräte bei Frauen wirken [23].

Aktuelle Meta-Analysen belegen, dass Frauen weiterhin in klinischen Studien unterrepräsentiert sind – sie machen sie oft nur ein Drittel der Proband:innen aus und Wirkungen und Nebenwirkungen werden selten geschlechtsspezifisch ausgewertet [24]. Die Folge: Symptome werden falsch interpretiert, Therapien über- oder unterdosiert und vorbeugende Ansätze unzureichend differenziert gestaltet.

Geschlechterbezogene Unterschiede werden auch in der medizinischen Ausbildung vernachlässigt: Gender bias, etwa in der Schmerzbehandlung, wird in der Ausbildung nicht systematisch thematisiert, sodass Mediziner:innen die spezifische Erscheinung von chronischem Schmerz bei Frauen oft nicht adäquat berücksichtigen [25]
Diese Forschungslage zeigt, dass geschlechtergerechte Medizin nicht nur ein moralisches Anliegen ist, sondern eine notwendige Voraussetzung für wirksame Prävention. Sie muss das Wissen darüber integrieren, dass Frauen und Männer teilweise ganz unterschiedliche Risikoprofile, Symptomverläufe und Präventionsbedarfe aufweisen. Diese Unterschiede müssen systematisch in Programme integriert werden.

Für die betriebliche Gesundheitsförderung bedeutet das: Es reicht nicht, Gesundheitsprogramme geschlechtsneutral zu gestalten. Stattdessen sollten Maßnahmen gendersensibel sein und auf den Nachholbedarf reagieren – eine wirksame Stressprävention bei Frauen, etwa durch spezifische Angebote im Bereich psychische Gesundheit oder durch flexible Arbeitszeiten, ist ein Thema zur Förderung der Chancengleichheit und Arbeitsfähigkeit zugleich.

Insgesamt zeigt sich, dass eine nachhaltige, diversitätsorientierte Prävention auch geschlechtergerecht sein muss – und damit einen Beitrag zur Schließung historischer medizinischer Forschungslücken leistet.

Migration und kulturelle Diversität

In vielen Branchen, darunter Pflege, Logistik oder Produktion, ist der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund hoch. Diese Belegschaften bringen wertvolle Ressourcen mit sich – kulturelle Kompetenzen, Sprachkenntnisse, vielfältige Perspektiven –, stoßen aber zugleich auf spezifische Hindernisse. Besonders prominent sind Sprachbarrieren, die nicht nur die Kommunikation erschweren, sondern auch den Zugang zu Gesundheitsangeboten deutlich behindern. Mangelnde Sprachkenntnisse bei Migrant:innen können bspw. zu Verzögerungen beim Zugang zur medizinischen Versorgung führen [26].

Über den individuellen Zugang hinaus wirken gesellschaftliche und strukturelle Faktoren wie restriktive Migrationsgesetze belastend. Eine systematische Literaturübersicht belegt, dass auferlegte politische Rahmenbedingungen das Risiko für Depression, Angststörungen und post-traumatische Belastungsstörungen bei undokumentierten Migrant:innen deutlich erhöhen [27]. Zudem zeigt eine epidemiologische Untersuchung in den USA, dass ethnische Minderheiten oft unter gefährlicheren Arbeitsbedingungen tätig sind, was zu einem höheren Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Bluthochdruck führt [28]. Mitarbeiter:innen unterschiedlicher ethnischer Hintergründe profitieren zudem ganz besonders von einer Einbeziehung bei Intervention zur Verbesserung des Arbeitsklimas [29]. Solche Befunde unterstreichen, dass kultursensible, partizipative Prozesse im Setting der Gesundheitsförderung unterschätzte Potenziale bergen. Eine jüngere Übersicht zur kulturell kompetenten Versorgung von Migrant:innen zeigt, dass dort, wo interkulturelle Kompetenzen in die medizinische Praxis integriert werden, bessere Versorgungsergebnisse erzielt werden – etwa durch den Einsatz kulturell sensibler Kommunikation und multilinguale Informationen [30].

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Gesundheitsförderung in Unternehmen unbedingt kultursensibel sein muss. Dazu gehören nicht nur mehrsprachige Informationen und niedrigschwellige Zugänge, sondern auch Maßnahmen zur Förderung von Vertrauen und Verständnis. Kommunikation sollte Migrationserfahrung, kulturelle Werte und strukturelle Unsicherheitsfaktoren thematisieren – andernfalls bleibt Prävention für viele Beschäftigte verschlossen.

Sozioökonomische Unterschiede

Gesundheitliche Ungleichheit zeigt sich auch deutlich zwischen verschiedenen Einkommensgruppen und Beschäftigungsformen. Menschen mit niedrigem Einkommen oder in prekären Arbeitsverhältnissen sind häufiger von gesundheitlichen Risiken betroffen, etwa durch belastende Arbeitsbedingungen, chronische Erkrankungen oder eingeschränkte Teilhabe an Gesundheitsförderungsmaßnahmen. Zahlreiche Studien belegen, dass Beschäftigte mit geringem Einkommen oder in Niedriglohnbranchen seltener vorbeugende Angebote nutzen oder wahrnehmen können: Niedrig entlohnte Beschäftigte nehmen weniger wahrscheinlich an Präventionsprogrammen oder gesundheitsfördernden Aktivitäten teil, selbst wenn sie grundsätzlich daran interessiert sind [31] Hinderlich sind dabei Faktoren wie Zeitmangel, Schichtarbeit oder ungünstige Arbeitszeiten sowie eine Skepsis gegenüber dem Engagement des Arbeitgebers in Gesundheitsfragen.

Betriebliche Gesundheitsförderung scheint generell bei Menschen mit geringem sozio-ökonomischem Status wenig effektiv zu sein [32]. Zugang und Teilnahme allein reichen nicht aus, um sozioökonomische Ungleichheiten abzubauen. Selbst bei gleicher Teilnahme bleiben Effektivität und Wirkung oft begrenzt.

Darüber hinaus existieren strukturelle Barrieren: In kleineren Betrieben, die häufig niedrig entlohnte Arbeitskräfte beschäftigen, fehlen häufig Ressourcen für umfassende Gesundheitsprogramme. Viele dieser Unternehmen verfügen weder über ein Budget noch über spezialisierte Zuständigkeiten oder Strukturen zur Umsetzung von Gesundheitsförderung [33]. Gleichzeitig ist die gesundheitliche Belastung bei Beschäftigten aus niedrigen sozioökonomischen Schichten besonders hoch, was sich in erhöhtem Auftreten von ungesunder Ernährung, Übergewicht, hoher körperlicher Belastung und chronischen Erkrankungen zeigt [34].

Zusätzlich steigert finanzieller Druck, beispielsweise durch Kosten für Lebensunterhalt oder existenzielle Unsicherheit, das psychische Stressniveau erheblich. So zeigt eine aktuelle Bestandsaufnahme der britischen Arbeitswelt, dass Menschen in Niedriglohnbranchen deutlich häufiger unter mentaler Belastung leiden – verursacht durch finanzielle Sorgen –, was wiederum negative Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit hat [35].

Vor diesem Hintergrund muss betriebliche Gesundheitsförderung barrierefrei, zugänglich und flexibel gestaltet sein. Nur kostenfreie, arbeitszeitnahe Formate, die auch in kleinen Unternehmen realisierbar sind und mobil angeboten werden – idealerweise in Kombination mit vertrauensbildenden Maßnahmen – können den Zugang für niedrig entlohnte und zeitlich stark eingespannte Beschäftigte gewährleisten.

Zwischenfazit

Unterschiedliche Gruppen haben unterschiedliche Bedarfe (Abb. 1 und Abb. 2) und diese Unterschiede betreffen weit mehr als Alter oder Geschlecht. Die Forschung macht deutlich, dass auch die physische Konstitution und ihre soziale Wahrnehmung lange Zeit in der Arbeits- und Organisationsforschung kaum Beachtung fanden. Erst in jüngster Zeit wird stärker anerkannt, dass unterschiedliche physische Voraussetzungen – jung oder alt, männlich oder weiblich, leistungsfähig oder eingeschränkt – nicht nur durch ergonomische Maßnahmen berücksichtigt werden müssen, sondern auch in ihrer Vielfalt gesellschaftlich sichtbar gemacht werden sollten.

Besonders deutlich zeigt sich dies im Bereich der geschlechtergerechten Medizin: Frauen waren in der medizinischen Forschung jahrzehntelang unterrepräsentiert, was dazu führte, dass Symptome übersehen oder Therapien falsch kalibriert wurden. Für die Prävention und Gesundheitsförderung heißt das, geschlechtsspezifische Unterschiede systematisch mitzudenken, um nicht bestehende Ungleichheiten weiter zu verstärken.

Auch Migration und kulturelle Diversität sind zentrale Einflussgrößen. Beschäftigte mit Migrationsgeschichte verfügen über zahlreiche Ressourcen, stoßen aber noch immer auf Sprachbarrieren, Misstrauen gegenüber Institutionen und ungleiche Zugänge zu Präventionsangeboten. Studien zeigen, dass die Wahrnehmung von Gesundheit und die Nutzung von Angeboten stark durch kulturelle Faktoren geprägt sind – und dass partizipative, kultursensible Ansätze entscheidend sind, um Vertrauen aufzubauen und Prävention wirksam zu machen.

Darüber hinaus zeigt sich, dass sozioökonomische Unterschiede einen starken Einfluss auf Gesundheit und Prävention haben. Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen oder im Niedriglohnbereich sind nicht nur höheren Belastungen ausgesetzt, sondern können oft auch deshalb nicht an Gesundheitsangeboten teilnehmen, weil Arbeitszeiten, Schichtpläne oder Kosten Barrieren schaffen. Hier sind flexible, niedrigschwellige und kostenfreie Angebote nötig, die reale Teilhabe ermöglichen.

Diversitätsorientierte Prävention und Gesundheitsförderung bedeutet deshalb, die Verschiedenheit von Beschäftigten als Normalität zu akzeptieren und Maßnahmen so zu gestalten, dass sie einerseits spezifisch auf unterschiedliche Bedarfe eingehen, andererseits aber nicht stigmatisieren oder einzelne Gruppen als „anders“ herausstellen. Entscheidend ist, dass die Vielfalt der Belegschaften nicht als Sonderfall, sondern als Ausgangspunkt wirksamer Prävention verstanden wird – und dass jedes Programm darauf ausgerichtet ist, möglichst viele Beschäftigte zu erreichen und einzubeziehen.

Best Practices für diversitätsorientierte Gesundheitsförderung

Vielfalt am Arbeitsplatz stellt Prävention und Gesundheitsförderung vor die Herausforderung, Maßnahmen so zu gestalten, dass sie für alle Beschäftigtengruppen zugänglich und wirksam sind. Die folgenden Best Practices zeigen, wie Unternehmen und Institutionen diese Aufgabe erfolgreich meistern können.

Abb. 1 Ausgewählte Gesundheitsbarrieren unterschiedlicher Vielfaltsdimensionen

Abb. 1 Ausgewählte Gesundheitsbarrieren unterschiedlicher Vielfaltsdimensionen

Verhältnisprävention: Arbeitsbedingungen diversitätsgerecht gestalten

Ein zentrales Prinzip der Gesundheitsförderung ist die Unterscheidung zwischen Verhaltensprävention, die auf individuelle Verhaltensänderungen abzielt, und Verhältnisprävention, die die Arbeitsbedingungen selbst in den Blick nimmt. Diversitätsorientierte Ansätze betonen, dass gerade die Gestaltung der Verhältnisse entscheidend ist, um den heterogenen Bedarfen verschiedener Beschäftigtengruppen gerecht zu werden. Dazu gehören beispielsweise altersgerechte Arbeitsplätze, bei denen ergonomische Anpassungen, technische Hilfen und flexible Schichtmodelle so gestaltet werden, dass sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeitende unterstützt und entlastet werden. Ebenso wichtig ist die digitale Barrierefreiheit: IT-Systeme und Lernplattformen müssen so gestaltet sein, dass sie auch von Beschäftigten mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen sowie von Personen mit geringer digitaler Erfahrung genutzt werden können. Schließlich spielen flexible Arbeitszeitmodelle eine zentrale Rolle, etwa durch Homeoffice oder Teilzeitoptionen, die insbesondere Beschäftigten mit Care-Verantwortung die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erleichtern.

Studien zeigen, dass altersgemischte Teams besonders dann erfolgreich sind, wenn die Arbeitsbedingungen auf ihre unterschiedlichen Stärken und Schwächen abgestimmt sind. Verhältnisprävention bedeutet in diesem Sinne, nicht nur die individuelle Verantwortung für Gesundheit zu betonen, sondern strukturelle Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Diversität als Ressource wirken kann und Belastungen reduziert werden.

Abb. 2 Ausgewählte Strategien für vielfaltssensible Gesundheitsförderung

Abb. 2 Ausgewählte Strategien für vielfaltssensible Gesundheitsförderung

Partizipation: Beschäftigte einbinden

Eine der wirksamsten Strategien für diversitätsorientierte Gesundheitsförderung liegt in der aktiven Beteiligung der Beschäftigten selbst. Nur wenn Maßnahmen gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt werden, lassen sich ihre tatsächlichen Bedarfe erfassen und Lösungen gestalten, die Akzeptanz finden. Partizipation kann auf vielfältige Weise erfolgen: etwa durch Gesundheitszirkel, in denen Beschäftigte unterschiedlicher Alters- und Herkunftsgruppen zusammenkommen, um ihre Perspektiven einzubringen, oder durch anonyme Bedarfsanalysen, die es auch bei sensiblen Themen wie psychischer Gesundheit ermöglichen, ehrliches Feedback zu erhalten. Ebenso können Pilotprojekte, die zunächst mit ausgewählten Beschäftigtengruppen getestet werden, wertvolle Erkenntnisse liefern, bevor eine Maßnahme breit eingeführt wird. Entscheidend ist, dass Beschäftigte nicht nur passive Empfänger von Gesundheitsangeboten sind, sondern aktiv in deren Gestaltung und Weiterentwicklung eingebunden werden.

Kommunikation und Zugänge diversitätsgerecht gestalten

Gesundheitsförderung kann nur wirksam sein, wenn die vorgesehenen Maßnahmen auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommen. Doch nicht alle Gruppen erreichen Gesundheitsangebote in gleicher Weise. Deshalb ist eine diversitätsgerechte Kommunikation von zentraler Bedeutung. Informationen müssen in einer Sprache vermittelt werden, die verständlich und zugänglich ist – sowohl im wörtlichen Sinn, etwa durch mehrsprachige Materialien für Belegschaften mit hohem Migrant:innenanteil, als auch im übertragenen Sinn, indem komplexe Inhalte vereinfacht und klar strukturiert präsentiert werden. Für Beschäftigte mit geringerer Lesekompetenz oder wenig Erfahrung im Umgang mit Fachtexten können visuell unterstützte Materialien wie Infografiken oder kurze Videos den Zugang erleichtern.

Darüber hinaus spielt die Wahl der Formate eine wichtige Rolle. Digitale Angebote wie Apps oder Onlinekurse bieten Flexibilität und können insbesondere für jüngere Beschäftigte oder für Mitarbeitende im Homeoffice attraktiv sein. Gleichzeitig ist es wichtig, auch analoge Angebote vorzuhalten, etwa Workshops vor Ort, die persönliche Begegnung und Austausch ermöglichen. Nur die Kombination unterschiedlicher Zugangswege stellt sicher, dass niemand ausgeschlossen wird. Eine diversitätsorientierte Gesundheitsförderung zeichnet sich daher durch niedrigschwellige, transparente und vielfältige Kommunikationskanäle aus, die die Heterogenität der Belegschaften aktiv berücksichtigen.

Praxisbeispiele

Um die Vielfalt bewährter Ansätze wirksamer Gesundheitsförderung zu veranschaulichen, fügen wir hier zwei reale Programme ein: „Fit im Forst“ sowie eine kultursensible Intervention, die migrantische Mitarbeitende aktiv in die Gestaltung einbezieht.

Das Programm „Fit im Forst“ zeigt, wie körperlich belastende Arbeitsbedingungen durch passgenaue Verhältnisprävention ausgeglichen werden können. In Niedersachsen initiierten die Landesforsten gemeinsam mit der Universität Göttingen ein wöchentliches Training für Forstwirte – als Mischung aus Arbeitszeit und Freizeit. Die Übungen zielten insbesondere auf muskuläre Dysbalancen ab, die durch die körperliche Waldarbeit entstanden. Der Ansatz war so erfolgreich, dass er mit dem Personalmanagement Award für Demografiemanagement 2011 sowie dem Human Resources Award im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement 2012 ausgezeichnet wurde [36].

Ebenfalls eindrücklich wirkt die Intervention, die im Journal of Occupational and Environmental Medicine (Park et al., 2004) beschrieben wird. In einer großen US Einzelhandelskette wurden in elf Filialen problemorientierte Teams gegründet, in denen Beschäftigte gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen entwickelten und umsetzten. Die Ergebnisse waren durchweg positiv: Sowohl das Betriebsklima als auch das Wohlbefinden der Beschäftigten verbesserten sich nachweislich. Besonders deutlich zeigten sich diese Effekte bei Schwarzen und hispanischen Mitarbeitenden – ein Hinweis darauf, wie partizipative Prozesse die Teilhabe und Selbstwirksamkeit ethnischer Minderheiten stärken können [29].

Diese beiden Beispiele lassen sich in einem gemeinsamen Fokus zusammenführen: Gesundheitsförderung wird wirksam, wenn sie in die Lebensrealität der Beschäftigten hineinwirkt – sei es durch körperliche Belastung am Arbeitsplatz oder durch kulturelle und strukturelle Barrieren. Dabei zeigen sie, dass Maßnahmen nicht abstrakt bleiben dürfen, sondern das Engagement der Betroffenen einbeziehen sollten, um sowohl Vertrauen als auch Effektivität zu steigern.

Zwischenfazit

Die Erfahrung zeigt: Einheitslösungen greifen zu kurz. Erfolgreiche Gesundheitsförderung berücksichtigt Unterschiede, ohne sie zu stigmatisieren, und macht Angebote so zugänglich, dass alle Beschäftigten profitieren. Best Practices orientieren sich dabei an den Prinzipien der Partizipation, Niedrigschwelligkeit und Flexibilität.